Zwei Strategien deinem Kind zu helfen die Angst zu überwinden

Wie reagierst du, wenn dein Kind Angst hat vor dem Zubettgehen oder gestresst von der Schule nach Hause kommt und dort nicht mehr hin will? Lass uns also schauen, wie du deinem Kind helfen kannst Angst zu überwinden.

Kind hat Angst und umarmt Mutter

By MELLINA ZIMMERMANN

Ein Kind welches Angst hat, wird aus Erwachsenen-Sicht oft unlogisch handeln. Wir versuchen dann mit rationalen Erklärungen dem Kind die Situation zu verdeutlichen und diese dadurch zu entschärfen, doch scheinen wir damit meist nicht weiter zu kommen. Warum ist das so? Und was können wir alternativ tun, um das Kind zu erreichen?

Der Zusammenhang vom Gehirn und der Angst

Das Gehirn eines Kindes ist noch nicht fertig ausgebildet. Während vieles zwar genetisch angelegt und so bei der Geburt schon vorhanden ist, müssen sich gewisse Bereiche und die Verbindungen zwischen den verschiedenen Teilen erst aufbauen. 

Doch warum ist das im Zusammenhang mit dem Überwinden von Ängsten überhaupt wichtig? Das Wissen über die Hirnentwicklung unserer Kinder hilft uns zu verstehen, weshalb logischen Erklärungen oft nicht weiterhelfen und was wir stattdessen tun können.

Der 4-jährige Jona rastet aus, wenn er ins Bett soll. Er läuft weg, hört nicht mehr zu und tut alles, um den Schlafanzug und die Zahnbürste zu vermeiden. Vielleicht könnte das mit einer Angst zusammenhängen? Es stellt sich heraus, dass er nachts ein Geräusch gehört hat und nun vor den Gnomen unter seinem Bett Angst hat. Der Vater schaut mit ihm unter das Bett und erklärt Jona, dass es keine Gnome gibt. Dies macht ihn nur noch wütender und beim nächsten Versuch den Schlafanzug anzuziehen wehrt er sich mit Händen und Füssen.

In einer solchen Situation tendieren Erwachsene dazu, wie Jonas Vater, dem Kind mit Vernunft weiter zu helfen. Wir möchten argumentieren, warum es nicht so schlimm sei und dass es keinen Grund gibt, sich zu fürchten, zu ärgern oder traurig zu sein. Bei dem Kind kommen wir damit aber nicht an und es fühlt sich unverstanden.

Rationale Erklärungen helfen bei Angst nur wenig

Warum ist das so? Unser Gehirn besteht aus zwei Hemisphären; die linke ist für das Rationale zuständig, die rechte für die Emotionen. Bis etwa dreijährig sind die Kinder stark in der rechten, emotionalen Gehirnhälfte zuhause und erst dann beginnt sich die andere Seite in der uns wohl bekannten “Warum-Phase” stärker auszubilden. Die Verbindung zwischen den beiden Bereichen beginnt darauf sich langsam zu stärken, die Kommunikation zwischen ihnen muss sich erst noch entwickeln. Wenn nun die rechte Seite schreit “Gnom”, wird die linke nicht beruhigend eingreifen, wie wir uns Erwachsene das gewöhnt sind.

Kennen wir nicht sogar von uns Situationen, wo die rechte Hirnhälfte “Gefahr” schreit und die rationale Seite sich erst viel später beruhigend einschaltet.

Wir als Eltern können unseren Kindern helfen die Verbindung zwischen den beiden Hemisphären zu stärken, indem wir sie beispielsweise beim Überwinden ihrer Ängste begleiten. Dies funktioniert aber nicht nur bei Ängsten, sondern in allen Situationen, wo die emotionale Reaktion ohne eine weitere rationale Verarbeitung erfolgt. Also immer wenn das Kind auf eine Situation heftig reagiert und wir Erwachsenen eine “vernünftigere” Reaktion erwartet hätten.

In ihrem Buch “the whole brain child” schlagen die Autoren Daniel J. Siegel und Tina Payne Bryson zwei Strategien vor, um dies zu erreichen. Natürlich ist jedes Kind und jede Situation unterschiedlich und so funktionieren diese Strategien nicht immer, doch einen Versuch ist es auf jeden Fall wert. Wichtig ist, dass erschwerende Umstände, wie Müdigkeit oder Hunger erst ausgeschlossen oder eliminiert werden.

Die erste Strategie bei Ängsten bei Kinder

Die erste Strategie besteht darin, sich mit dem Kind zu verbinden und die Reaktion umzuleiten. Um Kinder beim Überwinden ihrer Ängste zu helfen, müssen sie in der rechten emotionalen Gehirnhälfte abgeholt werden (verbinden) und auf den Weg zu der vernünftigen, linken Hirnhälfte geführt werden (umleiten).

Wichtig ist es, rationale Argumente wie: “Gnome gibt es nicht.” oder “Das war doch nur ein alter Balken der geknarrt hat.” wegzulassen. Diese Aussagen entspringen unserer linken Gehirnhälfte und bringen uns hier nicht weiter. Stattdessen wird versucht, sich mit dem Kind zu verbinden, mit einer Aussage wie: “Da hast du dich bestimmt erschreckt ab diesem Geräusch.”. Dabei ist es wichtig verständnisvoll zu sein, sowie Augenkontakt und eine positive, dem Kind zugewandte Körpersprache zu haben. Wenn sich das Kind verstanden fühlt, wird es hoffentlich mehr zu dem Erlebten erzählen und kann sich entspannen. Dies ist wichtig, damit der nächste Schritt möglich ist.

Wenn sich das Kind beruhigt hat und sich verstanden fühlt, kann die Umleitung zu der linken Hirnhälfte stattfinden. In diesem Schritt kann nun Jona mit seinem Vater alternative Ursachen für das Geräusch unter dem Bett suchen oder eine Taktik entwickeln, wie nächtliche Besucher ferngehalten werden können. Gemeinsam können Erklärungen gefunden oder Anti-Gnom-Schranken gebastelt werden, vielleicht hilft eine Lampe oder eine offene Zimmertür.

Die zweite Strategie bei Kinderängsten

Die zweite Strategie besteht darin die Emotionen und Erlebnisse zu benennen und ihnen dadurch die Macht zu nehmen. Dies basiert darauf, dass das Erzählen von Erlebtem Emotionen beruhigen kann.

Oft tendieren wir dazu, ein Kind abzulenken, wenn es sich fürchtet und zu sagen es sei doch nicht so schlimm. Damit wird die Situation jedoch nicht gelöst und verfolgt das Kind möglicherweise noch lange. Besser ist es, den Rahmen zu bieten, die schwierige Situation zu erzählen. 

Durch das Erzählen werden die beiden Hirnhälften zusammengebracht. Die linke Seite hilft dabei Sinn darin zu finden, was die rechte Seite erlebt hat. Vorher empfindet das Kind oft nur eine grosse Welle negativer und beängstigender Emotionen. 

Werden die Ängste und Befürchtungen benannt, verschwindet die Ohnmacht im Umgang damit. Dies ist der Fall, weil beim Erzählen beide Hälften zusammenarbeiten müssen, um das Erlebte in eine Geschichte zu packen. Die rechte Seite steuert die körperlichen Empfindungen, Emotionen und Erinnerungen bei, während die linke die Geschichte in einen sinnvollen Ablauf verpackt und dies mit Worten formuliert. So werden die Emotionen an ein “Warum” gebunden.

Wenn das Erzählen nicht so gut funktioniert, könnte das Kind dazu etwas spielen oder die Geschichte während eines Spaziergangs erzählen. Alternativ könnte es die Geschichte zeichnen oder aufschreiben, vielleicht in Form eines Comics?

Beide Strategien können dem Kind helfen bei starker Ängsten sich zu beruhigen. Dies ist wichtig um in einem zweiten Schritt zu verstehen, was passiert ist und Wege zu finden, damit umzugehen. 

Die Reaktion auf ein nächstes Ereignis wird deshalb nicht unbedingt weniger heftig ausfallen. Doch können Kinder so nach und nach lernen Ängste zu überwinden, indem sie die rationale Gehirnhälfte involvieren. Dies hilft alternative Lösungen zu finden und schlussendlich die Ängste abzubauen.